Logo der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

Historisch-kritische Ausgabe der Werke und Briefe Adalbert Stifters

Menu

Zur Geschichte der Edition

Die im Stuttgarter Kohlhammer-Verlag erscheinende „Historisch-Kritische Ausgabe der Werke und Briefe Adalbert Stifters“ präsentiert in 11 Abteilungen die dichterischen, journalistischen, kunsttheoretischen und amtlichen Schriften sowie die Korrespondenz des am 23. Oktober 1805 im böhmischen Oberplan (Horní Plana) geborenen, am 28. Januar 1868 in Linz gestorbenen österreichischen Schriftstellers, Malers und Pädagogen Adalbert Stifter.

Ihre Konzeption geht ursächlich auf ein internationales Symposion zurück, das vom 30. Sep­tem­ber bis zum 4. Oktober 1968 aus Anlass des 100. Todestages Stifters im öster­reichi­schen Bad Hall veranstaltet wurde. Dort stellte der Münchner Literatur­wissen­schaftler Prof. Dr. Hermann Kunisch erstmals den Plan einer neuen, nach modernen historisch-kritischen Maßstäben erarbeiteten Gesamtausgabe der Werke und Briefe Stifters zur Diskussion, die die von August Sauer im Jahre 1904 begründete, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig abgeschlossenen „Prag-Reichenberger Ausgabe“ ersetzen sollte.

In den Jahren zuvor nämlich war eine Fülle bislang unbekannter Stifterscher Handschriften zugänglich geworden, die es nunmehr wissenschaftlich zu erschließen galt. Auf einer Auktion in Hamburg hatten die Bayerische Staatsbibliothek in München unter tatkräftiger finanzieller Unterstützung des Freistaats Bayern sowie das Adalbert Stifter-Institut des Landes Oberösterreich im November 1964 ein aus dem Nachlass Salman Schockens stammendes umfangreiches Konvolut von Manuskripten Stifters vor allem zu den Studien, den Bunten Steinen und dem Nachsommer erworben. Zusammen mit den handschriftlichen Beständen des „Stifter-Archivs“, insbesondere zur Mappe meines Urgroßvaters, die im Prager „Klementinum“ – dort in der Handschriftenabteilung der Národní knihovna – aufbewahrt werden, weiteren Handschriften aus Privatbesitz sowie nicht zuletzt den sich im Besitz der Martin-Bodmer-Stiftung in Genf befindlichen umfangreichen Konvoluten zum Witiko ließ der Umfang des nunmehr neu und in weiten Teilen erstmals zu edierenden Materials eine Bearbeitung oder (Teil)Revision der „Prag-Reichenberger Ausgabe“  wenig ratsam erscheinen, zumal diese auf vielfältige Weise neueren editionsphilologischen Ansprüchen nicht mehr genügte.[1]

Von Beginn an als deutsch-öster­reichi­sches Gemeinschaftsunternehmen konzipiert und durch Subventionen des österreichischen Bundes­minis­te­riums für Wissenschaft und For­schung, des Bayerischen Staats­minis­te­riums für Unterricht und Kultus sowie der Oberösterreichischen Landesregierung gefördert, wurde zu diesem Zweck zunächst eine Redaktionsstelle in der Bayerischen Staatsbibliothek München eingerichtet. Seit 1971 wurde das von Prof. Dr. Alfred Doppler (Innsbruck) und Prof. Dr. Wolfgang Frühwald (München, seit 1976 in der Nachfolge von Hermann Kunisch) als Hauptherausgebern verantwortete Projekt durch die Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft fortgeführt, bevor es schließlich 1986 in das Akademien-Programm des Bundes und der Länder aufgenommen und in die Bayerische Akademie der Wissenschaften überführt wurde, wo es seither von der Kommission für Neuere deutsche Literatur (seit 2016 Beirat und Ausschuss „Neuere deutsche Literatur“) betreut wird, die von ihrer Gründung bis zum Jahr 2004 von Prof. Dr. Walter Müller-Seidel geleitet wurde, dem 2005 Prof. Dr. Hendrik Birus (München) als Kommissionsvorsitzender nachfolgte.

Im Frühjahr 2000 löste Prof. Dr. Hartmut Laufhütte (Passau) Wolfgang Frühwald als Hauptherausgeber ab, im September 2021 folgte Alfred Doppler, der die österreichische Hauptherausgeberschaft 50 Jahre innegehabt hatte, Prof. Dr. Wolfgang Wiesmüller (Innsbruck). Mit der Trennung in Ausschuss und Beirat fungieren als jeweilige Vorsitzende Prof. Dr. Helmut Pfotenhauer (Würzburg / Beirat) und Prof. Dr. Hendrik Birus (Ausschuss).

Seit 2006 wird die Ausgabe durch den Freistaat Bayern getragen und erhält zudem jährliche Sachmittelzuschüsse durch das Land Oberösterreich sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Der Sitz der Redaktion ist in der Stifter-Arbeitsstelle der Bayerischen Akademie der Wissenschaften angesiedelt und besteht aus einem hauptamtlichen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Die Herausgeberinnen und Herausgeber der Bände sind oder waren in Innsbruck, Salzburg, Linz, Wien, Klagenfurt, Passau, Seefeld und München in der universitären Forschung und Lehre tätig. Redaktoren der Ausgabe waren Helmut Bergner (bis 1993), Dr. Walter Hettche (1992–1997) und Dr. Johannes John (seit 1997).

Bislang (Stand: Dezember 2021) sind 41 Bände der Edition erschienen, dabei konnten seit 1995 insgesamt 30 Bände vorgelegt werden, 11 Bände waren zuvor zwischen 1978–1986 erschienen (siehe Die Bände). Die „Historisch-Kritische Ausgabe der Werke und Briefe Adalbert Stifters“ ist in ihrer Kontinuität , wie auch ein Evaluierungsgutachten 2012 ausdrücklich hervorhob, eines der am zügigsten erscheinenden historisch-kritischen Editionsprojekte innerhalb der Neueren deutschen Literatur und wird in Fachkreisen auch als solche wahrgenommen und gewürdigt (ggfs. LINK zu Rezensionen).


[1] vgl. hierzu Johannes John: Archiv und Politik. Zu Stifter-Handschriften in Prag, Linz, München und Genf. In: Logiken der Sammlung. Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik. Hrsg. von Petra-Maria Dallinger und Georg Hofer unter Mitarbeit von Stefan Maurer. Berlin/Boston: De Gruyter 2020, S. 177–195.